Das Zuviel dorthin bringen, wo es zu wenig gibt: Der Verein «Mehr als zwei» hat im September einen Pilotversuch gestartet mit der Abgabe von überschüssigen Lebensmitteln an Personen mit schmalem Portemonnaie. Die Ortswahl fiel auf Arbon. Im Fokus des Angebotes stehen Personen, die aus verschiedenen Gründen nicht von der Verteilung von geretteten Lebensmitteln profitieren können. Im Interview zieht Präsidentin Olivia Menzi Bilanz über den Versuch mit Päckli für einen Unkostenbeitrag 10 Franken mit rund 10 Kilogramm haltbaren Lebensmitteln.
Ein Monat Lebensmittelabgabe in Arbon: Wie ist es gelaufen, Olivia?
Gut. Wir haben diese Woche die dritte Päckliserie verschickt. Die Anmeldungen für die Abgabe haben unsere Erwartungen übertroffen. Wir sind jetzt am Optimieren.
Was gibt es zu optimieren?
Zum Beispiel das Datum der Bezahlung des Unkostenbeitrags. Ich bin davon ausgegangen, dass unser Zielpublikum ab dem 25. oder 26. des Monats über Geld verfügt. Jemand hat uns geschrieben, dass die AHV erst Anfang Monat auf dem Konto ist. Auch die Bezahlart haben wir angepasst. Wir haben erfahren, dass unsere Empfänger oft nichts mehr auf dem Konto haben, aber noch über Bargeldreste verfügen.
Von wievielen Empfängern sprechen wir bei eurem Versuch in Arbon?
Es haben sich 73 Haushalte angemeldet mit 199 Personen; in 40 Haushalten leben auch Kinder.
Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?
Zum Beispiel: Man kann nie etwas zusammenstellen, mit dem man es allen recht macht. Daher ist uns wichtig, dass die Leute vorher sehen, was sie bestellen: Wir verschicken eine detaillierte Liste mit dem Inhalt der Pakete.
Um alles möglichst genau in Erfahrung zu bringen, schicken wir ein Feedbackformular mit. So kam aus, dass unsere Empfänger teils mehr unverarbeitete Lebensmittel haben möchten. Viele haben das Formular jedoch nicht ausgefüllt. Vermutlich gibt es da auch ein Sprachenproblem. Wir könnten in einer Päckliserie eine Beilage machen mit Hinweisen, wo diese Menschen Unterstützung bei Problemen mit der Sprache bekommen.
Braucht es euer Angebot überhaupt?
Sicher ist, dass es ein Angebot in etwa dieser Art braucht. 95% der Antwortenden sagen, es hilft ihnen. Klassischerweise haben Lebensmittelabgaben bestimmte Öffnungszeiten. Dorthin kann aber nicht, wer sehbehindert oder nicht mobil ist oder zu den Öffnungszeiten arbeitet. Schwierig ist zudem, dass sich die Bezüger mit den vorhandenen Lebensmitteln arrangieren müssen: Um einzukochen und Dinge sofort zu verarbeiten, haben «Working Poor» oft keine Ressourcen.
Wie wollt ihr damit umgehen? Es fallen ja schliesslich einfach die Überschüsse an, die anfallen.
Es braucht Intermediatoren: Organisationen, die Lebensmittel für die Bedürftigen holen und zum Beispiel einpickeln und einkochen. Es ist nicht zu unterschätzen, was das für einen Effekt hat, wenn solche Arbeiten auch noch mit Liebe gemacht werden. Ausserdem bräuchten die Päckliempfänger mehr Planungssicherheit. Also wäre es gut, wenn eine Institution zum Beispiel jeweils Reis dazukauft, wenn keiner anfällt.
Habt ihr solche Angebote bekommen?
Auf jeden Fall hat sich schon mal das regionale Freiwilligennetz gemeldet. Beispielsweise der Computerverein. Er bot Hilfe an für Probleme mit der Anmeldung via Computer und mit Twint.
Und was steht sonst an betreffend dem Projekt Lebensmittelabgabe Arbon?
Wir verschicken jetzt mal Päckli bis Ende November und testen die Idee aus, auch Gemüse reinzutun. Dabei arbeiten wir mit der regionalen Post. Dann kommen die Päckli gleichentags an. Parallel sind wir dabei herauszufinden, wo es Betriebe gibt, die man vernetzen kann. Unsere Sichtbarkeit durch Medienberichte hat hier gute Wirkung gebracht.
Soll das Angebot auf die ganze Schweiz ausgedehnt werden?
Ja, dafür wollen wir schliesslich einen Leitfaden erstellen. Er soll als Grundlage dienen für den Aufbau von regionalen Lebensmittelabgaben in Gemeinden.
Bildquelle:
- DSC_1143-Bearbeitet-Bearbeitet_blau: Verein "Mehr als zwei"